Meine letzte Woche bietet so viel Stoff, dass ich ein ganzes Jahrbuch damit füllen könnte. Aber vielleicht haben das Zukunftsdialoge 2020 auch so an sich. Nach den zwei Tagen der Caritas in Frankfurt schwirrten jedenfalls viele Begriffe und Themen durch meinen Kopf. Ausgangspunkt war der demographische Wandel, Trends und Themen wie Fachkräftesicherung, Subsidiaritätsprinzip, gute Wohlfahrtsarbeit, Qualität und Quantität, Kirche im Wandel der Zeit rund um die Frage, wohin entwickelt sich unsere Arbeit in den nächsten fünf Jahren.
Wohin wird es gehen?
1. Die Teams werden (viel) bunter.
Nicht sehr überraschend, aber trotzdem erwähnenswert, kaum noch jemand denkt, dass er oder sie ohne buntgemischte Teams in der sozialen Arbeit auskommen kann. Die jungen Menschen werden viel weniger. Und nur ein Bruchteil interessiert sich für das Sozial- und Gesundheitswesen. Die Not derjenigen, die abgehängt sind, wird größer, ihre Zugänge zu Bildung und ausreichendem Existenzminimum werden schwieriger. Gleichzeitig kommen neue Menschen, Menschen auf der Flucht, in unser Land, die Arbeit brauchen und deren Arbeitskraft wir brauchen. Aber bunte Teams meint nicht nur Menschen unterschiedlicher Hautfarbe oder Kulturen. Es meint auch unterschiedliche Qualifikationen, Frauen, Männer, ältere und jüngere Menschen. Das lehren uns die Zukunftskonferenzen auf den ersten Blick. Wenn bunt gemischt miteinander gedacht wird, gerät etwas produktiv in Bewegung.
2. Mehr Community – weniger Gremien.
Ein neudeutsches Wort, das durch den Raum schwirrte, war der Begriff „Community“. Was ist eigentlich eine Community? Die Debattierenden bemühten sogar den Duden, ohne jedoch eine abschließende Antwort zu finden. Vielleicht deswegen, weil es weniger um eine strukturelle als um eine kulturelle Frage hierbei ging. Es geht nicht darum, neue oder mehr Formalitäten aufzubauen, sondern mehr darum, sich zu bestimmten Themen oder Anliegen, zum Beispiel in Stadtteilen, zusammen zu finden und gemeinsam etwas zu bewegen. Die vielen Aktionen für Menschen auf der Flucht sind hierfür gute Beispiele. Dabei spielt es keine so große Rolle, wer das Ganze steuert oder den „Vorsitz“ hat. Im Gegenteil, es lebt dann, wenn diese Frage möglichst wenig Raum einnimmt. Community Organizing etwa ist hierfür eine brauchbare Methode. Natürlich kann diese Zusammenkunft auch durch neue Medien unterstützt oder vorangetrieben werden. Virtuelle Gruppen sind eine gute Möglichkeit, sich zügig zu organisieren oder für eine gemeinsame Sache zu verbinden.
3. Gleichstellung statt Beteiligung.
Gleich zwei Themen ventilierten durch den Raum, die zunächst gar nicht zusammenhängend diskutiert wurden. Gleichstellung von Frauen und Männern und die Beteiligung von Betroffenen. Was raufen sich die Menschen seit Jahren die Haare, wie Betroffenenbeteiligung gelingen kann. Diese Auseinandersetzung war mir so wichtig, dass ich ihr einen eigenen Blogartikel gewidmet habe inspiriert durch die Aussage von Herrn Prof. Cremer, Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes: „ Das Wort Beteiligung müsste man eigentlich streichen.“
4. Mehr YoungCaritas – weniger AltCaritas.
Das Thema YoungCaritas wurde in den unterschiedlichen Gruppen immer wieder thematisiert. Und viele gute Beispiele genannt, wie die jungen Menschen und ihre Art zu arbeiten die alten Strukturen verändern. So wurde berichtet von Räumen der YoungCaritas Akteurinnen in der Nähe der Geschäftsleitung, die ganz neue Bürotypen prägen. Kreativer, andere Materialien, kurz und spontan wie ein flashmob und diese Leichtigkeit und Umgangsform gilt es nun zu übernehmen, um den Herausforderungen der Zukunft gegenüber zu stehen. Die größte Herausforderung ist, es zuzulassen. Das ist eine wichtige Aufgabe der Älteren. Kreative Treffs statt langweilige Gremien. Kurze Meetings und Ideen statt lange Protokolle. Neue Büroformen. Mehr Aufenthaltsräume für Kreativität. Neue Sitz- und Stehgruppen. Weniger Hierarchie, weniger Bürokratie. Einfach nur engagiertes Miteinander.
5. Weniger Marke – mehr soziale Bewegung.
Folgen wir dieser neuen Kultur werden in unseren Stadtteilen noch mehr themenbezogene Aktivitäten entstehen, in denen die Marke in den Hintergrund treten wird und die Personen mit ihrem Engagement in den Vordergrund. Als Botschafter/innen einer Idee unterwegs sein und die nicht bremsen, die etwas tun wollen, sondern mittun, dabei sein. Die Mitarbeitenden bestärken, befähigen, so auswählen, dass sie sich in den virtuellen und sozialen Communities bewegen können, dass sie dieser Aufgabe gewachsen sind, das ist eine der zentralen Zukunftsaufgaben.