Mobilität und Globalisierung haben für eine ganze Reihe von Berufsgruppen Reisen & Arbeiten bereits seit einigen Jahrzehnten zur Normalität werden lassen. Fremdsprachen zu lernen, sich in anderen Kulturen auszukennen, neue Ideen kennenzulernen, sie zurückzubringen und mit dem Alten zu verbinden, wurde Teil einer neuen Arbeitskultur. Bestes Beispiel: Der Kindergarten war in den USA ein deutscher Exportschlager. Umgekehrt kommen die vielgepriesenen Frühen Hilfen für Familien während und nach der Schwangerschaft aus England und den USA. Das Internet hat diese Entwicklung beschleunigt. Das Arbeiten von unterwegs wird je nach Job und Aufgabe zunehmend zur Selbstverständlichkeit. Im Ausland studiert zu haben wird berufliches Qualifikationsmerkmal. Die Europäische Union hat die Vorteile des Zusammenlernens und Arbeitens früh entdeckt. Das Erasmusprogramm ist Teil der europäischen Einigungsstrategie und Friedenspolitik.
Europaarbeit
Ich selbst habe zwar nie am Erasmusprogramm teilgenommen, aber ähnliche Programme waren lange Zeit Teil meiner täglichen Arbeit und funktionierten nach einem ähnlichen Prinzip. Die Europäische Union stellt Fördergeld zur Verfügung, damit Netzwerke und Kooperationen über den europäischen Kontinent hinweg entstehen und unterschiedliche Organisationen, Kulturen und Projekte voneinander lernen und sich austauschen. Die Erkenntnis, dass Europaarbeit oder grenzüberschreitendes Arbeiten Non-Profit Organisationen wirkungsvoll nach vorne bringt, reift(e) allerdings langsam. Die Organisationen, die den (mutigen) Schritt in die globalere Welt getan haben, haben es nicht bereut. Der Horizont der Mitarbeitenden wurde sprichwörtlich erweitert und die Projekte bereicherten die Arbeit um eine Reihe von Innovationen. Es kommt hinzu, dass die europäischen Diskussionen und Strategien die Arbeit von Non-Profitorganisationen entscheidend mitbestimmen. Die Beteiligung an europäischen Programmen fördert daher auch die Mitgestaltung europäischer Politik. Über einige gute Beispiele möchte ich in dieser Reihe erzählen. Den Anfang macht London.
London.
1998 war man in Deutschland in Regierungskreisen der Auffassung, dass England arbeitsmarktpolitisch mit seinem New Deal Programm eine Vorreiterrolle in Europa übernommen habe, da die Vermittlungszahlen sich sehen ließen. Noch bevor sich die spätere Kommission um den VW-Chef Hartz auf den Weg dorthin machte, um Anregungen für die dann folgende Arbeitsmarktreform zu sammeln, hatte ich Gelegenheit im Rahmen einer kleinen Delegation aus NRW in London die Idee von New Deal kennenzulernen. Interessanterweise geht das Programm auf ein Wirtschafts- und Sozialprogramm zurück, das Präsident Roosevelt in den 30er Jahren in den USA einführte. Hier und auch bei späteren Reisen konnte ich viel über die Grenzen und Möglichkeiten europäischer Austauschprogramme lernen. Lessons learned (1) – Kulturelle Unterschiede beachten. Auf einer vorbereiteten Reise wird vor allem das präsentiert, was gut ist. Das nennt sich dann Good Practice. In unserem Fall war es das Modell der JobCenter (heute: JobCenterPlus). Seit der Arbeitsmarktreform in 2005 werden auch in Deutschland die örtlichen Arbeitsämter JobCenter genannt. Sie gleichen aber bis heute aus meiner Sicht nicht dem englischen Modell. In den englischen JobCentern steht der Servicegedanke im Vordergrund. Der Arbeitssuchende wird als Kunde begriffen. Dieses damit verbundene serviceorientierte Verhalten ist in England Teil der englischen Kultur und passt(e) nicht in das deutsche Behördendenken. Lessons learned (2) – Der Transfer ist eine Organisationsentwicklungsaufgabe. Selten lässt sich ein Konzept oder eine Idee vollständig auf ein anderes Land übertragen, da die Mentalität oder Kultur nicht die Gleiche ist. Die bloße Übertragung des Namens bzw. Begriffs (JobCenter, Kunde) reicht nicht aus. Die englischen JobCenter sind kleine citynahe Offices, in freundlichen Farben gestrichen und kundenorientiert eingerichtet und mit unseren klassischen Amtsgebäuden nicht vergleichbar. Der Transfer einer Idee muss also gestaltet werden und kulturell begleitet werden. Lessons learned (3) – Besser einzelne Ideen abgucken als das ganze Konzept. Die Arbeitsmarktreform 2005 übernahm im Grunde genommen das gesamte englische Konzept, ohne den Transfer in die deutsche Gesellschaft zu gestalten. Umstrittene Maßnahmen wie Workfare, die arbeitslose Menschen zu zweifelhaften Arbeitsaufnahmen verpflichtete, wurden mit übernommen. Workfare und die Idee der JobCenter widersprachen sich im Grunde genommen. Konnten möglicherweise jedoch in England gelingen, da New Deal eine Verbesserung der dortigen Arbeitsmarktpolitik nach den Radikalmaßnahmen der Thatcheraera bedeutete, während es in Deutschland nach einer langen Tradition von gewerkschaftlichen Errungenschaften und -standards nicht in gleicher Weise fruchtete. Mir hat die Idee der JobCenter gefallen. Ein ordentlicher Transfer in die deutsche Gesellschaft mit allen Konsequenzen hätte möglicherweise der deutschen Arbeitsmarkpolitik frühzeitig zu einem echten Perspektivwechsel und einer anderen Sicht auf Menschen ohne Arbeit verhelfen können.
Mehrwert grenzüberschreitenden Arbeitens.
Bei Berücksichtigung einiger Spielregeln kann das grenzüberschreitende Lernen und Arbeiten einen tollen Mehrwert für Non-Profit-Organisationen haben!
- Neue Ideen & Konzepte!
- Kenntnis über aktuelle (globale) Trends!
- Interkulturelle Kompetenz!
- Mitgestaltung politischer Ideen!
- Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse!
- Interessante nationale und internationale Kooperationen!
- Zukunftsfähigkeit!