Adieu Facebook, Du hast Deinen Reiz verloren.

Da liegt es vor mir auf meinem Schreibtisch, klobig und unhandlich, anachronistisch wie aus einer anderen Zeit. Und doch streiche ich wehmütig über den ledernden Einband und lasse meine Gedanken schweifen.

10 Jahre ist es her, dass ich es unter dem Weihnachtsbaum hervorholte und aus dem Geschenkpapier herausschälte. Ein Geschenk, das meine Welt veränderte: Das iPad.

Es wog noch recht schwer und verschaffte mir zeitweise einen Tennisarm und doch liebte ich es heiss und innig, denn ich bekam einen Zugang zu einer Welt, die mir bis dahin verborgen war und die auch mehr oder weniger noch in der Entstehung schien: der digitalen Welt.

Das Geschenk war der Einstieg in ein Jahrzehnt, das die digitale Transformation einläutete. Lächelte man Anfang der 2010er noch über die Idee des papierlosen Büros, steht heute jede Organisation vor der Herausforderung, möglichst zügig alle Prozesse zu digitalisieren.

Facebook war damals neu, aufregend und geheimnisvoll.

Und es war mein Einstieg in die sozialen Netzwerke. Einige sagten damals schon eine Weile: „Komm zu Facebook, das wird Dir gefallen.“ Und so war es.

Die Idee von Facebook halte ich nach wie vor für genial: Menschen zu vernetzen, leichte Zugänge und virtuelle Räume zu schaffen, um sich auszutauschen, zu bilden, zusammen zu arbeiten, sich weiter zu entwickeln.

Wir gründeten damals mit ein paar Leuten die Facebookgruppe Caritas 4.0, die schnell boomte, weitere Gruppen entstanden und neue Netzwerke kamen hinzu.

Die kollaborative Zusammenarbeit war schnell eingeübt und veränderte Arbeitsstil und Arbeitskultur. Die Grundidee des Internet, die Welt zu vernetzen, ein demokratisches Instrument zu sein und kostenfrei Inhalte zur Verfügung zu stellen, wurde möglich. Mit dem (kleinen) Wermutstropfen, das Inhalte nicht kostenfrei sind, sondern kommerziellen Zwecken dienen und daher viel Werbung im Spiel ist.

Aber auch das hat mich nicht davon abgehalten, Facebook zu nutzen. Denn es bot gerade in Kirche, Caritas und Wohlfahrt eine unkomplizierte Vernetzung. Zwischen Chefs und Mitarbeitenden, zwischen Wohlfahrtsverbänden und Start ups, zwischen Kirchenoberhäuptern und dem (Kirchen-) Volk.

Der Digitalisierung der sozialen Arbeit und der digitalen Transformation hat Facebook neben Twitter einen guten Dienst erwiesen, denn so anrüchig es auch lange Zeit war, tummelte sich zu Hochzeiten, was Rang und Namen hat, so dass Zugänge und Vernetzung für alle leicht waren.

Adieu Facebook, Du hast Deinen Reiz verloren.

Um es gleich vorweg zu sagen: es ist nicht der Datenschutz. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir Deutschen vor lauter Angst um unsere Daten, den Fortschritt aufhalten. Wo könnten wir mit der digitalen Schule ansonsten nur jetzt schon sein!

Nein, das ist es nicht. Es ist einfach nicht mehr inspirierend. Es ist unsortiert. Der Plattform mangelt es an Schlichtheit. Ich bevorzuge Netzwerke, die klare Profile haben. Und werde wohl auch mal wieder etwas Neues ausprobieren.

Was ich vermissen werde, sind meine alten Bekannten: die Schulfreunde und die Menschen aus meiner Heimat. Aber hierfür gibt es ja auch alternative Möglichkeiten.

6 Kommentare zu „Adieu Facebook, Du hast Deinen Reiz verloren.

  1. Was Thomas in seinem Beitrag „bye bye facebook“ kritisiert, die wüsten Beschimpfungen bei Diskussionen, kenne ich bislang – Gott sei Dank – noch nicht. Es könnte sein, es liegt auch daran, dass ich Freundschafts-Anfragen nicht automatisch annehme sondern prüfe. Mein fb-„Freundeskreis“ ist dadurch begrenzt. Da ist man/frau auch nicht selten unterschiedlicher Meinung, aber ohne unflätig und ausfallend zu werden. Noch bleibe ich fb treu.

  2. Liebe Frau Depew!
    Diesen Artikel über Facebook kann ich gut nachvollziehen – bis auf die Sache mit dem Datenschutz. Wenn wir an der Stelle nicht so kopflos reagieren würden, gäbe es längst mehr Open Soure in allen Bereichen, IT wäre umfassendes Thema in den Schulen (nicht nur ein Annex zu Physik und Mathematik, auch was mit Kreativität und Sprache), Kirchen hätten viel öfter eigene Server zum Nutzen der Öffentlichkeit (wie das Videochatportal des Erzbistums Hamburg).
    Ich bin gespannt, was Sie 2021 über das Verknüpfen und Vernetzen schreiben werden.
    Danke für viele inspirierende Artikel, bleiben Sie gesund, kommen Sie gut ins neue JAhr.
    Dorothee Janssen

    1. Liebe Frau Janssen, herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Ja, das stimmt. Wenn wir weiter wären, gäbe es auch mehr datenschutzkonforme Lösungen. Die Erfahrung zeigt nur, dass Erfahrungen in der digitalen Welt zu sammeln, häufig eine Frage des learning by doing ist. Und da gilt es in Systemen mitzutun, die nicht so datenschutzkonform sind wie unsere oft veraltete Technologie. Gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, dass Pragmatismus vor Dantenschutz ging. Zum Glück. Ihnen auch alles Gute für das neue Jahr! Bleiben Sie gesund. Ihre Sabine Depew

  3. Irgendwie war es schleichend und doch so plötzlich. Teilte man früher noch fleißig eigene Status-Updates und lud Bilder hoch, war auf einmal nichts mehr los. Seit dem Update, das Firmeninhalte und bezahlte Inhalte so stark machte, verlor der Großteil die Lust selbst Inhalte zu teilen.

    Eine Zeit lang war Facebook noch eine gute Quelle für Events. Aber irgendwann war auch das Thema Geschichte.

    Nun tummelt sich gefühlt unter 45 dort niemand mehr.

    Eigentlich schade! Zumindest für die Events hätte ich gern einen Ersatz.

  4. Übrigens: es gibt auch ein paar Ü45er:innen. Darum ist Bedauern über die Abwendung von Facebook eher überflüssig. Wie Twitter einfach Geschmacksache.

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