Führen in Zeiten der Pandemie – Coronatagebuch (Teil 1)

Im Rückblick sind wir immer klüger.

Deshalb lohnt sich der Blick auf die (Führungs-)aufgabe während der Pandemie.

Vielleicht gerade deswegen, weil wir uns die Antworten alle zusammen erarbeiten mussten: Verantwortliche in Politik, Wissenschaft und Praxis.

Wenn in China ein Sack Reis umfällt …

Anfang 2020 wurde in Wuhan in China der Ausbruch einer Lungenentzündung mit noch unbekannter Ursache festgestellt und ein Virus identifiziert, das Dutzende von Menschen infizierte. Mitte Januar starb der erste Mensch an diesem neuartigen Virus.

Im Arbeitsalltag ist hiervon nichts zu spüren.

Das Jahr beginnt mit den Themen, mit denen das alte Jahr aufgehört hatte. Fortschritte sind erkennbar, Baustellen müssen weiter bearbeitet werden, neue Projekte stehen an.

Die Sternsinger kommen zu uns ins Haus der Caritas in Essen.

Ich eröffne das Projekt „Palliativ Care“, das eine Gruppe Leitungen der ambulanten Pflegedienste und Studierende der Fachhochschule Münster kooperativ durchführt. Ihr Leitsatz ist:

Du zählst, was Du bist.

Mitte Januar treffen wir uns mit den Kolleg*innen der Bundesdirektor*innenkonferenz in Erfurt im Augustinerkloster. Es ist ein milder Abend als ich nach einem langen Arbeitstag vom Hauptbahnhof zur Unterkunft laufe. Eine faszinierende Stadt mit vielen historischen Gebäuden, die ansprechend beleuchtet sind. Martin Luther ist allgegenwärtig. Nicht nur im Kloster.

Die Caritas Jahreskampagne „Seit gut, Mensch“ startet und ich notiere in mein Tagebuch „Könnte gut werden.“

Ein paar Tage später bin ich zu Gast in Stuttgart, um dort bei einer Diözesantagung über meine Erfahrungen mit digitalen Medien zu berichten. Die Reaktionen sind die Vertrauten: es gibt wie überall die Skeptiker*innen, die Euphorischen und die Pragmatiker*innen. Digitale Transformationsprozesse in Kirche, Caritas und Gesellschaft bleiben eine Herausforderung.

In der Zeitschrift Sozialwirtschaft erscheint „Wie man Zusammenhänge begreifen kann“. Expert*innen werden gefragt, welches Buch sie massgeblich beeinflusst hat. Ich schreibe über das Glasperlenspiel von Hermann Hesse.

Es ist eine Frage der Zeit.

Anfang Februar reisen wir mit Geburtstagsgästen für eine Woche nach Texel. Mir fällt die Stellenanzeige der Caritas im Norden ins Auge, die eine Landesleitung für Schleswig-Holstein suchen. In Schleswig-Holstein am Meer zu leben, das ist schon lange ein Traum. Oft haben wir während unserer Urlaube dort in den letzten Jahren überlegt wie das möglich werden könnte.

Bei sonnigem Wetter am Meer entlang wandernd, denke ich über das Für und Wieder nach. Mir macht die Tätigkeit in Essen viel Freude. Andererseits kann ich der Caritas auch in Schleswig-Holstein nutzen und wäre sogar näher an der Praxis, was ich als eine interessante Herausforderung ansehe.

Unser größtes Problem auf Texel ist das Sturmtief „Sabine“, das die Rückfahrt erschwert.

Gleichzeitig breitet sich das Virus in Europa aus und auch hier sterben Menschen daran.

Am 11. Februar gab die Weltgesundheitsorganisation der neuen Krankheit einen Namen: Covid 19. (Coronavirus Desease 2019).

Diese Zeilen zeigen wie wenig wir alle wussten, was auf uns zukam. Denn ansonsten wäre ich vermutlich zu dem Zeitpunkt mit anderen Themen beschäftigt gewesen. Aber so nahmen die Dinge ihren Lauf.

Wer seinem Stern folgt, kehrt nicht mehr um.“

Leonardo da Vinci

Ausnahmezustand.

Am 2. März notiere ich in meinem Tagebuch: Das Coronavirus beschäftigt die Menschheit. Wir haben ebenfalls einen ersten Verdachtsfall.

Am 11. März erklärt die Weltgesundheitsorganisation die Krankheit zu einer weltweiten Pandemie.

Gleichzeitig erleben wir vor welchen Herausforderungen unsere Dienste, insbesondere unsere Pflegeheime, ambulanten Dienste und Angebote für Menschen mit Behinderung stehen und setzen ein Schreiben auf, dass das Ministerium darüber informiert.

Die große Herausforderung besteht darin, ruhig zu bleiben, die eigenen Mitarbeitenden zu unterstützen, die Bedarfe der Einrichtungen zu erfassen und zu bedienen und dort auch Nutzer*innen und Mitarbeitende bestmöglich zu schützen.

Am 15. März schreibe ich ins Tagebuch:

Das Virus wirbelt das Alltagsleben durcheinander. Alle Konferenzen sind abgesagt. Jetzt tagt nur noch unser Krisenstab.

2 Kommentare zu „Führen in Zeiten der Pandemie – Coronatagebuch (Teil 1)

  1. Liebe Sabine,
    Ich liebe ja deine authentische Schreibe, und freue mich immer, über mutige Entscheidungen von dir zu lesen!
    Schleswig Holstein ist wie gemacht für dich! Toll, dass du so mutig warst – gerade in solchen Zeiten.
    Schade, dass ich bei deinem Termin in Stuttgart nicht dabei sein konnte. Ein persönliches Treffen war lange schon mein Wunsch. Andererseits haben gerade jene weit entfernten und aufwendigen Begegnungen gerade keine Konjunktur mehr – und das hat auch was Befreiendes. Zwischenzeitlich bist gerade du mir, aber auch andere aus der Twitter-Blase, sehr vertraut geworden, trotz Entfernung – aber mittels Digitalität! Das ist eine auch erfreuliche Erkenntnis dieser Pandemie. Mit Hendrik Epe arbeiten wir in der Caritas Rottenburg-Stuttgart grade ein Projekt aus, mit Ursel Wolfgramm war ich neulich ganz profan telefonisch im Kontakt… mit Christian Müller ebenfalls. Das gegenseitige Informieren ist wohltuend. Die Möglichkeiten der unkomplizierten Kommunikation wachsen. Das ermuntert mich, dir jetzt am Anfang eines neuen ungewissen Jahres einfach unkompliziert mal eine Rückmeldung auf deine „Zeit zu teilen“ zu geben.
    Ich wünsche mir eigentlich noch ein bisschen mehr mit Menschen wie dir zusammen zu arbeiten… an welchen Stellen das auch immer passt. Vernetzung um des gemeinsamen Mindsets Willen rufen eine Freude in mir hervor, der ich dann gerne folge. Ein neues Zeitalter der Gemeinschaft, der Vernetzung, des Austausches, der wahren Beziehungen und der gegenseitigen Förderung aller, die im gleichen Geist unterwegs sind, hat längst begonnen.
    In diesem Sinne, dir liebe Sabine, ein besonnenes, ein Licht-volles und ein Herz-reiches neues 2021, viel Glück 🍀 weiterhin in deiner Schleswig-Holstein-Aufgabe, und danke für deine Schreibe….

    Herzlich,
    Silvia Hall
    DiCV Rottenburg-Stuttgart
    und derzeit ganz privat im schönen Homeoffice in Tübingen

    1. Liebe Silvia, herzlichen Dank für Deine guten Wünsche und Deinen ausführlichen Kommentar. Corona fordert halt auch sehr im Alltag, daher bleibt nicht so viel Zeit für anderes. Meine Erfahrung zeigt, dass sich irgendwann ein Thema ergibt, dass einen verbindet oder eine Idee und dann kommt es zur Zusammenarbeit. Ich wünsche Dir jedenfalls auch alles, alles Gute im neuen Jahr, bleibe gesund und inspiriert! LG Sabine

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