Ach, was war ich froh, als es wieder möglich war, in einer Bürogemeinschaft zu arbeiten!
Die Qualität des analogen Zusammenseins mit Menschen lässt sich bei aller Affinität zur Technologie nicht ersetzen.
Es war wundervoll und ich habe es sehr genossen.
Und obwohl die Virologen auch damals schon vor einer zweiten Welle im Winter gewarnt haben, war es in dieser Zeit wirklich schwer zu glauben, dass sie wirklich kommen würde.
Lockerungen.
An meinem ersten Arbeitstag in Kiel fuhr ich mit der Bahn zur Arbeit. Ich war neugierig auf die Erfahrung, in einer Region zu arbeiten, die man nur als Urlaubsregion kannte. Und wie es werden würde, wenn hier der Alltag anbricht.
Sich einen Lebenstraum zu erfüllen und mit der Realität abzugleichen, ist vielleicht nochmal ein eigenes Thema, aber dieser Morgen, an dem ich die tiefblaue Ostsee überbrückte, an den Strandbädern entlang fuhr und die holsteinische Schweiz und ihre Seen durchquerte, war es eine traumhafte Ouvertüre für eine neu anbrechende Zeit.
Ich hatte mir gleich zu Anfang ein intensives Programm vorgenommen. Ich wollte so viele Einrichtungen wie möglich kennen lernen. Und das war dank der Lockerungen auch ohne Weiteres möglich.
Mitten in einer Pandemie die Arbeit in einer neuen Organisation aufzunehmen, hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist, dass Netzwerke noch nicht vorhanden sind. Dass mir das Bundesland fremd war und ich Informationskanäle nicht auf Anhieb identifizieren konnte, da die Strukturen unterschiedlich sind.
Der Vorteil ist, dass es einen frischen Blick auf eine Organisation gibt und Verbesserungen auf der Basis vorheriger Erfahrungen eingeführt werden können.
Ein trügerischer Sommer.
In Schleswig-Holstein kletterte das Thermometer über 30 Grad. Und gefühlt blieb es dort bis Ende Oktober. Viele Aktivitäten werden nach draußen verlagert, so dass sich – trotz aufwändiger Hygienemaßnahmen – ein Gefühl der Normalität einstellt.
Wie sehr die Bevölkerung dieses Gefühl auslebte, zeigte sich in Schleswig-Holstein auch um uns herum. Viele Touristen wählten aufgrund der Pandemie keine Fernziele, sondern verbrachten ihren Urlaub wegen des schönen Wetters gerne an der Ostsee. Strände, Restaurants und Marktplätze waren überfüllt und mussten teilweise geschlossen werden.
Die Erleichterung über die Aufhebung der Isolation ist auch für Führungskräfte verführerisch. Wird doch die oftmals ungewohnte Technologie als Barriere guter Kommunikation erlebt. Und gerade, wenn es darum geht, Vertrauen aufzubauen, stört der Mund-Nasenschutz.
Doch gerade das hat mich andererseits dazu veranlasst später im Jahr auch innerhalb der Bürogemeinschaft wieder zu Videokonferenzen überzugehen.
Die Betriebe können ihren Dienst mit Hilfe der Schutzkonzepte fortsetzen, aber der Aufwand, der durch Hygienemaßnahmen entsteht, ist nicht zu unterschätzen. Alle arbeiten am Limit.
Vorbereitung auf die 2. Welle
Am 27. August diskutieren vier Wissenschaftler*innen im Corona-Update des NDR über die Frage: Wie kommen wir ohne Lockdown durch den Winter?
Es ist ein Wettrennen um die Organisation von Testungen und die Entwicklung des Impfstoffes und gleichzeitig zeichnet sich ab, dass die Lockerungen über den Winter nicht zu halten sind, weil die Ansteckungsquelle in vielen Fällen nicht mehr zu ermitteln ist.
Meine Aufgabe war nun, einerseits die Caritas in Schleswig-Holstein zu formieren und zu organisieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass wir auf die zweite Welle vorbereitet waren.
Und so galt es Vorsorge zu treffen mit Blick auf:
- Technologische Ausstattung
- Hygienekonzepte
- Kommunikation
- Krisenmanagement
- Kultur / Mentalität
- Möglichkeiten zum Home Office
Häufiger habe ich mir die Frage gestellt, ob ich zu vorsichtig bin. Und es kam hinzu, dass ich mich selbst disziplinieren musste. Aber das Verhalten des Vorgesetzten wirkt und hat Vorbildfunktion. Hinzu kommt, dass die Belastung der Krankenhäuser zunahm, Intensivbetten und Atemgeräte wurden knapp. Die Arbeit der Gesundheitsämter gerieten an ihre Belastungsgrenzen. Jede verhinderte Ansteckung war ein Beitrag zur Stabilisierung der Gesamtlage.
Die steigenden Inzidenzwerte machten deutlich, dass der eingeschlagene Weg richtig war.