Wohnen im Alter.

Ein spätsommerlicher, nein ein spätherbstlicher, Sommerabend und während die warme Luft lieblich schmeichelt, sind die eiskalten Wintertage gar nicht mehr allzu fern.

Eine Ouvertüre, die zu den vergangenen zehn Tagen passender nicht sein könnte. Denn es ging um das Wohnen im Alter. Um das denkbare Ehrenamt und um Zukunftsplanung.

Pflegeberufe.

Zunächst durfte ich ein Grusswort zu einem Fachtag unserer Caritas in NRW bei einer Veranstaltung zur Generalistik der Pflegeberufe halten.

Vor mir saß ein ganzer Saal voll Menschen, die sich darin verdient machen, dass sie eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit tun.

Eigentlich hätte vielleicht stillschweigender Respekt und Wertschätzung genüge getan. Aber einige wichtige Informationen galt es dann doch zu verlesen.

Wohnen im Alter.

Meine Diplomarbeit habe ich über „Wohnen im Alter“ geschrieben. Das mag angesichts meines Studiums als Diplom-Erziehungswissenschaftlerin erstaunen, aber neue Wohnformen wie WGs oder die Psychologie des Wohnumfeldes waren damals innovative Konzepte der sozialen Arbeit.

Daran fühlte ich mich erinnert als ich beim #CaritasVorOrt-Termin das Marienheim der Theresa-Albers-Stiftung besuchte. Es ist mehr ein Seniorenzentrum, das sich in den Stadtteil einfügt und mitten drin eine Art Dorfplatz, der größere Versammlungen erlaubt.

Wie auch die Denkbar, ein Format des Bistums Essen, hier einen guten Raum findet. Es geht um Best Ager. Was ist ein Best Ager? Was für ein Begriff! Ist man nicht eigentlich schon out, wenn man ein Best Ager ist? Nein, Best Ager sind die, die gerade besonders gebraucht werden. Sie sind die mit dem breiten Erfahrungsschatz, mit den besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Ehrenamt.

Die selbstlernende Organisation.

In der Geschäftsstelle des Caritasverbandes für das Bistum Essen arbeiten wir hart an den Herausforderungen vor die uns der gesellschaftliche Wandel stellt. Ich bin tief beeindruckt, mit wieviel Enthusiasmus die Leute dabei sind.

Das Verrückte ist, ohne Change wird es gar nicht mehr gehen, weil Veränderungen einem beschleunigten gesellschaftlichen und digitalen Wandel unterliegen. Gleichzeitig braucht es eine Atempause.

Denn ohne Entschleunigung gibt es keine Beschleunigung.

Ich lerne am meisten, wenn wir  uns zu unserer Klausurtagung treffen, wenn ich unsere Mitglieder besuche, wenn sich die Redaktionssitzung der Zeitschrift Caritas in NRW trifft und, weil ich zuhöre und lerne, kann ich auch jeweils wieder Impulse geben, die uns weiter bringen.

Eine selbstlernende Organisation ist eine Organisation, die sich miteinander lernend nach vorne bewegt.

Lieber Mauern einreißen statt aufbauen.

Gestern fragte mich eine Freundin: „Welche Veranstaltung hattest du denn heute bei der Arbeit?“ „Jede Stunde eine andere.“ So jedenfalls kommt mir die Terminreihung aktuell vor. Es ist Herbst. Wahrscheinlich ganz normal. Aber auch ganz normaler Wahnsinn.

Auszeit.

Die knallbunten Wälder der Eifel bei strahlendem Sonnenschein kamen da letztes Wochende gerade recht. Dazu ein Besuch im ältesten Dom Deutschlands und der aktuellen Ausstellung im Karl-Marx Haus in Trier waren eine schöne Mischung, Abstand zu gewinnen, gleichwohl das Fazit „What´s left?“ im Museum angesichts der politischen Gegenwart doch auch wieder zum Nachdenken einlud.

25 Jahre Caritas.

Und dann eine tolle Überraschung! Montagfrüh betrat ich mein Büro und alles war voll mit Glitter, Luftballons und 25ern und sogar ein selbstgebackener Kuchen stand bereit. Ich war überwältigt, zumal ich selbst völlig vergessen hatte, dass ich vor 25 Jahren meinen ersten Arbeitstag hatte. Ein kleines computerloses Büro mit fünf Ordnern und einem Telefon. Es kommt mir manchmal wie gestern vor. „Mach mal!“ Das Abenteuer begann. Ich dachte, ich bleibe für drei Jahre. Und nun das.

Diese gute Sache Caritas hat mich seit dem gepackt.

Am Montagabend war ich eingeladen, in einer Kirche im Rahmen eines sozialethischen Forums einen Vortrag über die spezielle Aufgabe der Caritas im Ruhrbistum zu halten. Ich stand im Altarraum und schaute auf das Portal, über dem diese Worte geschrieben waren:

Fürchte Dich nicht.

Worte, die mich schon häufig durch das Leben getragen haben. Wie viele schönen Kirchorte gibt es doch wie hier in diesem Caritaskrankenhaus in Bochum.

Am Schluss wurde ich sogar eingeladen, an einem Caritassonntag mal eine Predigt zu halten. Als Frau. Es ändert sich was in Kirche. Und das ist gut so.

Tag der Deutschen Einheit.

Ich bin gar nicht mehr sehr oft in Bonn. Aber über den freien Tag mischte sich ein Freundinnentreff mit Familienbesuchen und so ergab sich fast zufällig, dass wir am Tag der Deutschen Einheit in Bonn sind.

Wie passend. Nahe der Stelle, wo Gorbatschow und Kohl im Garten des Kanzlerbungalows gesessen haben und die Mauereröffnung vorbereitet haben.

In einer Zeit, in der sich Europa lieber wieder verschließt, ist es so wichtig dagegen zu halten und das fängt in der eigenen Nachbarschaft und Organisation an. Auch im Verbandswesen können wir mit gutem Beispiel vorangehen, in dem wir uns öffnen, transparent kommunizieren, Zusammenhalt üben. Wenn wir die Ergebnisse der Missbrauchsstudie der katholischen Kirchen wirklich ernst nehmen, dann stehen unsere tradierten Strukturen und Kulturen ebenso auf dem Prüfstand.

Lasst uns lieber Mauern einreißen statt aufbauen.

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Ein Zimmer auf der Straße.

Wohnen, ein Dach über dem Kopf zu haben, ist für jeden Menschen ein existentiell wichtiges Thema. Wenn wir alltäglich in unser Zuhause zurückkehren, dann ist das keine Selbstverständlichkeit. Allein schon, wenn wir mal umziehen, machen wir die Erfahrung, dass es eine Weile dauert bis alles wieder seinen Platz gefunden hat und wir in eine neue Routine kommen und uns wohl fühlen.

Für Menschen, für die es keine Selbstverständlichkeit ist, ein Zuhause zu haben, machen wir als verbandliche Caritas in diesem Jahr die Kampagne „Ein Zuhause für jeden.“   Im Bistum Essen haben wir hierfür am Caritassonntag in Gladbeck ein Zimmer auf der Straße aufgebaut. Mitten in der Stadt im Wochenmarkt und Samstagsgeschehen haben wir mit einer Runde von Menschen aus Kommunalpolitik, Immobilienwirtschaft und Wohnungslosenhilfe auf der Straße gesessen und diskutiert wie es uns gelingen kann, dass jeder ein adäquates Zuhause hat: auskömmlichen Wohnraum zu bezahlbaren Preisen. Denn Gutes Wohnen ist ein Menschenrecht!

Garant für einen guten Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Derartige Aktionen zu organisieren, ist ein wichtiger Bestandteil unserer spitzenverbandlichen Arbeit, weil sie Raum geben mit Menschen, Entscheidungsträgern und Politik im Gespräch zu bleiben und auch über Rahmenbedingungen zu sprechen, die das Leben der Menschen verbessern. Es gibt zum Beispiel immer noch zuviel Wohnungslose, also Menschen, die keinen privaten Wohnraum ihr eigen nennen, sondern in Einrichtungen untergebracht sind.

Bei einem Termin im Landtag mit den Fraktionsspitzen haben wir diese Woche die positive Erfahrung machen können, dass unser langjähriges Wirken als Wohlfahrt als Garant  für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geschätzt wird. Eine Anerkennung dieser Art ist im alltäglichen „Weiter So“ wichtig und wohltuend.

Spitzenverband der Zukunft.

Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass wir als Wohlfahrt nicht stehen bleiben dürfen. Und gerade auch die Spitzenverbände stehen vor der beständigen Frage wie sie für ihre Mitgliedsorganisationen hilfreich und ein guter Dienstleister sein können.

Im Rahmen eines kleinen Organisationsentwicklungsprozesses versuchen wir die Herausforderung zu lösen, mit einem vergleichbar kleinen Team, unseren Mitgliedern qualitative und wirksame Unterstützung anzubieten.

Wir sind in der Geschäftsstelle dabei, Kernthemen, Projekte und Arbeitspakete zu identifizieren, die das Portfolio schärfen werden. Der Schlüssel liegt dabei in der übergreifenden Zusammenarbeit, um Kompetenzen zu bündeln.

Die klassische Versäulung wird dadurch aufgebrochen, auch, wenn die Mitarbeitenden weiterhin Abteilungen zugeordnet bleiben.

Dieser erste Wurf wurde diese Woche unserem Caritasrat vorgestellt und wird jetzt in die Diskussion und Konkretisierung gehen.

Die Zeitschrift ist gelb markiert, weil sie eine Kooperation der Caritasverbände in NRW darstellt. So könnten auch zukünftig noch andere Kooperationen ergänzt oder andersfarbig werden.

Kinder, Küche, Kirche.

Grüss Gott!

Ich komme gerade aus Bayern. Einmal im Jahr tagt die Bundesdirektor(inn)enkonferenz der Diözesan-Caritasverbände in Würzburg.

Als ich aus dem Zug ausstieg, kam ich mit einem Bayer über Seehofer, die Landtagswahl und die drängenden Fragen der Zeit ins Gespräch. Dabei streifte mein Blick über die sonnigen Weinhänge der lieblichen Gegend.

Der Bayer fragte, ob ich aus dem Norden stamme. Ich musste lächeln. Früher hätte ich die Frage als Bonnerin mit Nein beantwortet. Als Essenerin habe ich sie mit ja beantwortet. North & South – passend zu dem Film, den ich die Tage mal wieder gesehen habe.

Das Gespräch zeigte schnell, dass Seehofer keine Angst um die Stimme dieses Wählers haben muss.

Manchmal fragen Politiker/innen, warum wir uns als Kirche und Wohlfahrtsverbände politisch engagieren.

Darum.

Der katholische Studentenseelsorger Burkhard Hose schreibt in seinem Buch „Seid laut!“ dazu: „Man kann nicht Suppe an Arme ausschenken, ohne irgendwann die Frage zu stellen, warum die Armen eigentlich arm sind.“

Gute OGS.

Wir hatten diese Woche gute Gespräche mit dem Jugend- und Schulministerium in Nordrhein-Westfalen. Beide Minister wollen gemeinsam an einer guten Zukunft der Offenen Ganztagsschule arbeiten. Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW hat hierzu eine Online-Petition gestartet, denn wir sehen vor allem in den Ballungsgebieten den dringenden Bedarf die Bildungskette nach der Kita fortzuführen und gerade Kindern aus einkommensschwächeren Elternhäusern gute Zukunftschancen zu sichern. Hierzu streben wir eine auskömmliche Finanzierung im Offenen Ganztag und den Rechtsanspruch an.

Gute Wohlfahrt.

Dieser Tage fragte mich ein Journalist im Rahmen der Pressefahrt der Caritas in NRW, in einer auf der Straße aufgebauten Küche, zum Jahresthema „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“,  ob der Begriff „Wohlfahrt“ überholt sei.

Ich bin klar der Meinung: Nein! Weder das System der Freien Wohlfahrtspflege noch die Wohlfahrt als Teil der christlichen Nächstenliebe ist überholt. Es ist ein wichtiger Bestandteil unseres demokratischen Systems in Deutschland. Sich um den Nächsten zu sorgen, ist nicht nur eine wesentliche Säule der Kirche und des christlichen Verständnisses, sondern eine wesentliche Voraussetzung eines funktionierenden Gesellschaftssystems.

Gute Kirche.

Wir gehen als Kirche auf die Straße: Wir sind mehr, die auf den Hass mit Liebe antworten. Darauf bin ich stolz. Ich habe das Gefühl, dass unsere Kirche auf einem guten Weg ist, weil sie sich einsetzt, laut wird, wo Menschen Unrecht geschieht.

Dann werden die Zahlen zur Missbrauchsstudie der katholischen Kirche veröffentlicht. Und ich spüre, dass viele zutiefst erschreckt sind. Im Rahmen eines Studientages zur Prävention habe ich die Möglichkeit meine eigenen Fragen und Unsicherheiten mit meiner Kirche, die doch seit so vielen Jahrzehnte meine Heimat ist, zu hinterfragen.

Diese Fragen werden uns gründlich beschäftigen. Unser Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck bringt die Widersprüche in seiner Predigt anlässlich unseres Betriebsausflugs ausgezeichnet auf den Punkt. Die Quintessenz seiner Predigt ist, es braucht gründliche Erneuerung und zwar mit tiefgreifenden Konsequenzen.

An dieser Kirche mitzubauen, ist spannend. Auch, wenn es Unsicherheiten in sich birgt. Aber es bietet die einmalige Chance, grundlegende Fragen zu beantworten: Macht, Hierarchie, Sexualmoral und last but not least die Rolle der Frau in der Kirche.

Auch die Frage, wo wir uns als Caritas hin entwickeln, bleibt dabei spannend. Caritas ist Kirchort.

Bunt, vielfältig, modern.

Diese Zuschreibung hätte meinen bayrischen Gesprächspartner sicher irritiert.

Digitale Teilhabe für alle! Ruhrgebietstag2018

Grusswort anlässlich des Ruhrgebietstages 2018.

Wichtige Partner aus Kirche, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft haben am vergangenen Freitag den Weg zum Ruhrgebietstag der nordrhein-westfälischen Caritas nach Mülheim in die Akademie „Die Wolfsburg“ gefunden, um über angemessene Digitalkonzepte für eine von sozialen Problemlagen gedrückte Region nachzudenken.

„Sie, die Sie heute hier nach Mülheim in die Akademie „Die Wolfsburg“ gekommen sind, und sich damit ausdrücklich die Zeit nehmen, sind wichtige Bündnispartner in der Solidarität um eine besonders liebenswerte, aber auch von sozialen Sorgen gedrückte, Region Deutschlands.

Ich darf Sie heute im Namen meiner Direktoren-Kollegen der Diözesan-Caritasverbände Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn hier in der Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim zu unserem Ruhrgebietstag begrüßen.

Wir kommen hier zusammen zeitgleich mit der Eröffnung der NRW-Tage des Landes Nordrhein-Westfalen in Essen (dazu laden wir Sie morgen herzlich an den Stand unseres Ortscaritasverbandes neben dem Dom ein) und zum Auftakt der Ruhrkonferenz von Herrn Ministerpräsident Armin Laschet.

Die Wirtschaft der Zukunft funktioniert ein bisschen anders. Sehen Sie, im 24. Jahrhundert gibt es kein Geld. Der Erwerb von Reichtum ist nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben. Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern – und den Rest der Menschlichkeit.

Es ist mehr als zwanzig Jahre her, dass Captain Jean-Luc Picard, Kommandant der USS-Enterprise aus der Zukunft des Jahres 2373 prognostizierte, was auf die Menschheit zukommt.

Diese Menschlichkeit, von der Picard spricht, brauchen wir schon heute im Jahr 2018.

In der Ruhrregion herrscht echte existentielle Not. Die Armutszahlen – und hier besonders die Daten zur Kinderarmut – sind rot markiert und wirken daher wie das, was sie auch sind: ein Flächenbrand!

Die (Kinder-)Armutsquote liegt in Gelsenkirchen bei 43%! Die Brutto-Jahreseinkommen liegen zwischen 16.000 Euro und 23.000 Euro – im Schnitt! Die Arbeitslosenquote ist doppelt so hoch wie durchschnittlich in Nordrhein-Westfalen und liegt bei 13%.  

Jedes dritte Kind des Ruhrgebietes (in NRW ist es jedes fünfte Kind) wächst in ökonomischen Verhältnissen auf, die seine Chancen im Vergleich zu anderen Kindern senken. Dabei bedingt das eine das andere. Geringes Familieneinkommen, Arbeitslosigkeit der Eltern, finanzschwächere Kommunen, geringere Bildungsstandards in Schulen und Kitas, fehlende Schwimmbäder und Bibliotheken, zu enger oder
gar kein Wohnraum und mehr. Wer als Kind und Jugendlicher in der Ruhrregion heranwächst, ist häufig strukturellen Benachteiligungen ausgesetzt. Die Akteure der Hilfesysteme hier bei Kommunen, in Kirchen und Wohlfahrtsverbänden tun ihr Bestes, um das Blatt zu wenden. Aber es braucht mehr.

Gleichzeitig sind wir aber auch zu Recht stolz auf diese Region! Der Strukturwandel vom Bergbau zum Dienstleistungssektor hat an einigen Stellen gegriffen, und die Metropole Ruhr gilt als ein kreativer Raum, in dem Universitäten, junge Menschen und Start ups experimentieren und neue Existenzen gründen.

Wirtschaftsminister Pinkwart wies beim sozialpolitischen Aschermittwoch der beiden Kirchen in diesem Jahr darauf hin, dass die Ruhrregion das Potential habe, das deutsche Silicon Valley zu werden.

Diese Herausforderungen wollen wir als Diözesan-Caritasverbände in NRW annehmen, denn der digitale Wandel birgt neben allen wirtschaftlichen Chancen die Gefahr, die Spaltung zwischen Arm und Reich zu vertiefen.

Wir brauchen einen Digital-Pakt für die Sozialwirtschaft, um neben der produzierenden Wirtschaft soziale Innovationen und digitale Teilhabe in Kitas, der Jugendhilfe, Altenheimen, im Ehrenamt, der Stadtteilarbeit und der Arbeit mit bildungsferneren Familien zu fördern und einen Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft zu leisten.

Nun freuen wir uns auf einen interessanten Tag, gute Begegnungen und ein gemeinsames „Pack an“ für eine Region, die es braucht, und für die es sich absolut lohnt!

Ein herzliches Glück auf!

Weitere links:

Caritas fordert Digitalpakt für die Sozialwirtschaft

Caritas fordert bessere Digitalisierung im sozialen Bereich

Play Kahoot it! 

Medienkompetenzrahmen

Von der Sesamstrasse zur Edtech!

 

 

 

 

Digitale Teilhabe durch Innovations -Labore

Aktuell wird im Landtag in Nordrhein-Westfalen darüber beraten wie Chancen der Digitalisierung genutzt werden können.

Hier sind soziale Innovationen noch nicht hinreichend im Blick.

Sie werden – gemeinsam mit technischen und wirtschaftlichen Innovationen – darüber entscheiden, wie lebenswert unser Land im nächsten Jahrzehnt sein wird. 

Gerade in Regionen mit hohem demographischen Anpassungsdruck können soziale Innovationen, insbsondere auch Innovationen zur Lösung sozialer Probleme im engeren Sinne, als zentrale Voraussetzung gelingenden Strukurwandels und neuer Prosperität angesehen werden. Die Initiierung von sozialen Innovationen darf nicht dem Zufall überlassen werden. Es sind dafür all jene Formate zu nutzen, die sich aktuell als state of the art der Innovationsförderung bewährt haben. 

Damit dies gelingt, empfehlen wir die Einrichtung eines tragfähigen Innovationslabs mit Ausstrahlungswirkung.

Was ist ein Innovationslab?

Innovations- und Kreativlabs sind physische oder virtuelle Räume, in denen der Austausch von Wissen, Ideen und Informationen im Mittelpunkt steht. Es handelt sich um Experimentierorte, die sowohl langfristig als auch zeitlich befristet genutzt werden können. 

InnovationsLabore sind eine digitale Drehscheibe für soziale Innovationen.

Kreative und innovative Prozesse werden in LABs durch die Bereitstellung entsprechender Infrastrukturen, Services und Methoden der (gemeinschaftlichen) Wissensgenerierung unterstützt. 

Sie zeichnen sich in der Regel durch einen Cross-Innovation-Ansatz aus. Das bedeutet, dass in LABs branchenübergreifend und in interdisziplinären Konstellationen gearbeitet wird. 

Ebenfalls schließt der Cross-Innovation-Ansatz die Beteiligung von Kreativschaffenden bzw. Unternehmern, Freelancern oder Freischaffenden aus der Kreativwirtschaft an gemeinschaftlichen Arbeiten in LABs ein.

So lautet die Definition des Projekts Zukunft der Initiative für Wirtschaft, Technologie und Forschung LABs als neue Treiber von Innovation“.

Wesentliche Defizite bei den Versuchen soziale Innovationslabs zu schaffen, können darin gesehen werden, dass

a) die Initiatoren (innovative consulting-Firmen, start ups etc.) keinen strukturierten Kontakt zu den Trägern sozialer Dienstleistungen (Wohlfahrtsverbände etc.) hatten 

b) die öffentliche Förderung von LABs stark auf die o.a. Kategorien zugeschnitten waren, die für soziale Innovationen nicht gut passen

c) soziale Dienstleistungsunternehmen weniger Spielräume haben in start-ups und (digitale) Innovationen zu investieren, weil das hohe Risiko des Scheiterns (von 10 Start-ups heben zwei ab) und die Notwendigkeit bei der Entwicklung und für die Anlaufphase in Vorleistung zu treten, die sozialen Akteure im Vergleich zu Konzernen mit industrieller Fertigung überfordert.

Es erscheint uns als  Caritas daher dringend überfällig, ein „unternehmenseigenes“ Lab zu schaffen und damit einerseits die Innovationsbereitschaft der Caritas zu stärken und den Caritasverband als Treiber sozialer Innovationen zu nutzen, andererseits die o.a. Defizite modellhaft zu überwinden und damit Impulse über die Caritas hinaus zu setzen.

Ein LAB der Caritas müsste, um erfolgreich zu sein, Elemente eines Grassroot Lab und eines Coworking-Lab aufnehmen, – innovative Start-ups, regionale Akteure und Betroffene müssten von Anfang an in die Entwicklung eingebunden sein. Ohne eine enge Kooperation mit Hochschulen ist ein CaritasLAB nicht vorstellbar. 

Es bedarf für den Erfolg einer Anschubfinanzierung der öffentlichen Hand, die – als Strukturförderung verstanden – auf 5 Jahre angelegt sein sollte.

Das CaritasLAB braucht idealerweise eine regionale Umgebung, in der es sich als Treiber eines regionalen Strukturwandels bewährt und in der die Dringlichkeit sozialer Innovationen als Motivator täglich spürbar ist.

Das in der Ruhrregion geplante CaritasLab des Diözesan-Caritasverband für das Bistum Essen kennzeichnet sich dadurch aus, dass für drängende soziale Fragen ein Raum geschaffen wird, der Innovationsprozesse durch die gezielte Einbindung externer Experten und Expertinnen (u.a. Kreative, Unternehmen, Forschungs- und Entwicklungs-Einrichtungen) unterstützt. Den externen Partnern werden Leistungen und Programme angeboten, die Resultate ihrer Arbeit fließen wiederum in die Umsetzung von Unternehmenszielen ein.

Damit entsteht gleichzeitig ein Ort, der neue Form des Lernens online und offline erprobt und gleichzeitig als LAB Academy Basisseminare für Einsteiger anbieten wird.

Organisationsform

Das CARITASLAB ist ein Kooperationsverbund, der getragen vom DiCV Essen für weitere interessierte Caritasorganisationen offen ist. Sein Standort ist Essen – im Herzen des Ruhrgebiets. Während Berlin und München sich als Zentren einer auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichteten Start-up Szene etabliert haben, besteht die Chance im Ruhrgebiet ein Zentrum des „Tech4Good“ zu schaffen. Im Mittelpunkt der Start-up- und Innovationsszene, die vom CaritasLAB angelockt und initiiert werden soll, stehen Fragen sozialen Wandels und Zusammenhalts. 

Da es innerhalb der Caritas bereits eine kleine Szene von Digitalexpert/innen gibt, die u.a. bereits gemeinsam ein BarCamp der sozialen Arbeit verantworten, das jährlich innovative Ideen hervor bringt, könnte diese in Form eines Projektbeirats eingebunden werden.

Finanzierung

Das LAB braucht Mittel für Räume, Projektmitarbeiter/innen, Sachmittel und den Einkauf von Dienstleistungen von externen Partnern, z.B. zur Durchführung von Hackathons und Entwicklung von neuen Technologien. 

Das LAB wird fünf Jahre lang über eine Anschubfinanzierung finanziert, um im Rahmen einer Experimentierphase zu ergründen, wie das LAB nachhaltig organisiert sein sollte.

Neben der Ausstattung und Einbindung der Partner könnte eine Innovationsförderung lokale Aktivitäten, neue Geschäftsmodelle, start ups etc. anschieben.

Für Ausstattung und Fonds sollten für den Gesamtzeitraum insgesamt 10 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden.

Parallel zu dieser Phase wird eine nachhaltige Finanzierung entwickelt, die sich aus Crowdfunding, Erlösen, Sponsoren und Mitgliedsbeiträgen zusammensetzen wird.

Mit dem CariLab werden wegweisende Innovationen, Strukturefekte für die Region und neue Organisationsformen der sozialen Arbeit entstehen.

 Most people are really those who save a specific problem 

they want to solve and know 

that they find the tools with us and then they stick around.“

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Frauen stören, wenn sie nicht lieb sind. #Weltfrauentag

„Kommt der Vorschlag, dass wir eine männliche und weibliche Doppelspitze brauchen, dann machen wir das vielleicht … bei meinem Nachfolger“ war von Christian Lindner auf einem FDP Parteitag zu hören. Ein Ausspruch, der tatsächlich Saalgelächter bringt.

Warum nur?

Gerade bei einer Partei, die einen echten Frauenmangel hat, nicht nachvollziehbar. Und auch sonst nicht.

Das Beispiel zeigt aber wie strukturell tief verankert diese Haltung ist. Auch die katholische Kirche ist davon betroffen. Die Frage der Weihe für Frauen ist längst nicht mehr nur eine theologische Frage.

Es ist eine Machtfrage.

Die Männerbünde sind schlicht vertrauter, einfacher herzustellen und förderlicher, die individuellen Karrieren voranzutreiben.

Frauen passen hier nicht rein.

Auch Papst Franziskus hat gerade in Querida Amazonia nochmal die Rolle der Frau in ihrer dienenden Funktion zementiert:

„Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben. Dafür verdienen sie Wertschätzung.“ 

War Josef nicht ähnlich zärtlich? Und hat er nicht einen sehr kraftvollen Beitrag geleistet, in dem er sein Leben ganz der Berufung Marias unterordnete?

Aus Imagegründen hebt man Frauen ab und an in Führungspositionen, um mit der Zeit festzustellen, dass sie zu sperrig sind, zu offen, zu transparent, zu kritisch. Dann verschwinden sie nach und nach wieder.

Bei der Besetzung von zentralen Entscheidungsgremien fallen einem dann gerade auch keine Frauen ein oder es herrscht die Auffassung, eine Frau sei einfach nicht kompetent genug.

Man(n) hat es ja versucht, aber leider…

Frau spricht einfach nicht die richtige Sprache. Ist zu sachlich, macht das Spiel mit den Seilschaften nicht mit. Die guten (weiblichen) Ideen werden aber gerne zu eigen gemacht.

Meine geschätzte Kollegin im Bistum Essen, Andrea Qualbrink, hat sich in ihrer Promotion gefragt, warum Frauen in Leitungspositionen die katholische Kirche stören. Sie empfiehlt, die vermeintliche Störung als produktive Irritation zu werten, die Entwicklung fördert.

Warum sollte eine Frau nicht besser sein bzw. gleichermaßen die Aufgabe tun können?

Ein Phänomen, das nicht einfach vom Tisch zu fegen ist, ist Angst.

Haben Männer Angst?

Diese Angst wäre gar nicht so unbegründet. Denn tatsächlich nehmen ihnen Frauen, wenn sie so richtig ernst machen, bis mindestens 50 % der Chancen auf einen tollen, interessanten Job.

Bei einer unserer Konferenzen, ein Kreis von ca. 27 Führungskräften, darunter 3 Frauen, formulierte das ein männlicher Vertreter auch. Bestimmte Funktionärspöstchen könnten ja zukünftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Was passiert? Männer verbünden sich in der Frage wie sie die Frauenquote umgehen können.

Als die 3 Frauen dann spiegelten, dass dies ja bisher umgekehrt gewesen sei, gab es dafür wenig Verständnis.

Was hat das mit ihnen zu tun?

Viel.

Die Beschäftigungsquote von Frauen mit Kindern gegenüber Männern mit Kindern ist in Deutschland deutlich geringer als in unseren Nachbarländern.

Die Chancengleichheit von Männern und Frauen hat viel mit der Haltung von Männern zu tun.

Ein Mann als Arbeitgeber zum Beispiel: Fragt er einen Bewerber mit vier Kindern, ob dieser die Betreuung seiner Familie sicher stellen könne?

Oder ein Ehemann: Macht er wirklich ernst mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zwar zugunsten seiner Familie? Oder wird sein Sohn wieder mit Modellen aufwachsen, dass der Vater abwesend bei der Arbeit ist und seine Mutter sicherstellt, dass das „Höhlenfeuer“ nicht ausgeht?

Die selbstverständlichen Benachteiligungen, die Ignoranz, die Arroganz, das Nicht-Ernstnehmen, weil das Gegenüber eine Frau ist.

schreibt Christiane Florin im Buch „Der Weiberaufstand.“

Der ZDF Korrespondent Stefan Liefert twittert nachfolgendes Zitat:

Herausragend ist, dass er eine solche Wahrnehmung twittert! Als Mann!

Durch meine langjährige Europaarbeit weiss ich wie ernst Europa das Anliegen der Chancengleichheit ist. Dort sind Frauen ganz selbstverständlich genauso viele Kommissarinnen oder andere Amtsinhaberinnen wie Männer, weil es selbstverständlich ist.

Ohne Geschlechtergleichheit gibt es schlicht kein Geld!

Bringt Frauen zur Geltung!

Es war Prof. Dr Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der in seiner Abschlussrede beim Katholikentag bemerkt hat, was Anja Pfeffermann dann als tweet absetzte:

Wer sich Fotos, Settings und Podien anschaut, wird sehr häufig feststellen, dass keine einzige Frau dabei ist. Das Bild von Seehofers frauenloser Führungsmannschaft hat wohl immer noch nicht ausreichend sensibilisiert, dass verantwortlichen Organisatoren gar nicht auffällt, wenn Frauen nicht ins Licht gerückt werden, zu Wort kommen oder gar auf einem Foto als die Agierende, die Handelnde und nicht nur die lieblich Lächelnde bebildert werden.

Wenige weitere Beispiele sind:

Sozialpolitischer Vorstand des Deutschen Caritasverbandes, Eva-Maria Welskop-Deffaa.

Das sind die wenigen Fotos, die ich im Fundus des Katholikentages sammelte, die Frauen in führenden und ernstzunehmenden Rollen präsentieren. Möglicherweise gibt es noch ein paar mehr. Aber nicht viele. Das ist ein durchaus übliches deutsches Ergebnis.

Immerhin kam die re:publica, Deutschlands große Gesellschafts- und Internetkonferenz, nach 12 Jahren auf eine Überzahl an  Speakerinnen genüber Speakern.

Beachtet bei Fotos und Podien schlicht die Frauenquote!

Eine Bebilderung ohne aktive Frauen sollte eigentlich als politisch unkorrekt gelten!

Es scheint, dass auch viele Öffentlichkeitsarbeiter und -arbeiterinnen noch nicht ausreichend dafür sensibilisiert sind.

Manchmal liegt es aber auch schlicht daran, dass viel zu wenig Frauen in den entsprechenden Settings zu finden sind.

Das ist eine Verantwortung, der sich Veranstalter stellen müssen! Und nein. Ausreden gelten nicht!

Männer – Seid Vorbilder!

In all euren Rollen habt ihre die große Chance dafür zu sorgen, dass Frauen zur Geltung kommen. Etwa als Väter: ein Sohn, der seinen Vater nur als familienabwesendend erlebt, wird nicht lernen, das mit der Familie zu sein, für den Vater etwas Beglückendes ist.

Nutzt die Sprache!

Selbst, wenn in einem Laden 97 % Erzieherinnen arbeiten, wird häufig noch von Erziehern gesprochen.

Ich fühle mich nicht mehr angesprochen, wenn die weibliche Form nicht verwendet wird! Und so geht es vielen mittlerweile.

Und ich bin mir nicht sicher, welche Auswirkungen es gehabt hätte, wenn es allen Helferinnen beim Katholikentag so gegangen wäre, aber dank Kurt C. Hose wurde dem abgeholfen.

 

Vernetzte Gesellschaft: Lobbyarbeit digital.

Interessenverbände stehen wie alle anderen Organisationen vor großen Herausforderungen, wenn sie sich dem digitalen Wandel stellen wollen.

Alle Arbeitsbereiche sind davon betroffen. Die Praxis erreicht ihre Klienten mittlerweile besser über das Internet als über klassisches Streetwork und bietet Chatberatung für Schwangere, mobile Straßenzeitungen oder Fachkräfteportale für Pflegeberufe an.

Aber auch und besonders die Spitzenverbände sind gefordert, nicht nur Vorreiter/innen zu sein, sondern auch ihre Kernarbeit zu verändern.

Zu den Kernaufgaben von Spitzenverbänden gehören: Information und Beratung ihrer Mitglieder, Fördermittelakquise und Fundraising, Fort- und Weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit und in erster Linie sozialpolitische Interessenvertretung.

Paradigmenwechsel.

Und genau hier, in der sozialpolitischen Interessenvertretung, zeichnet sich gerade ein Paradigmenwechsel ab.

Sozialpolitische Interessenvertretung geschieht in Verbänden seit ihrer Entstehung in Gremien. Analog den Strukturen, die wir auch aus der Politik kennen, stimmen sich Menschen in Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaften ab und bearbeiten in aufwändigen Prozessen wichtige Positionen.

Die Schnelllebigkeit der Zeit bewirkt gleichzeitig, das macht uns die Politik vor, dass politische Entscheidungsprozesse mittlerweile auch auf anderen Kanälen zustande kommen.

Die amerikanischen Wahlkämpfe belegen das mit guten und schlechten Beispielen wie Wahlkämpfe überhaupt. Aber nicht nur das. Auch Koalitionsverhandlungen und Gesetzgebungsverfahren finden mittlerweile im Internet statt.

Beispiel Kinder- und Jugendhilfereform.

Im Jahr 2016 stand eine große Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Sozialgesetzbuch VIII) auf der politischen Agenda, die sogenannte „große Lösung“, die darauf abzielte, dass Kinder und Jugendliche mit körperlicher und geistiger Behinderung in das Sozialgesetzbuch VIII aufgenommen werden. Endlich eine Gleichbehandlung aller Kinder und Jugendlicher! Dafür waren wir auch als Verbände der Freien Wohlfahrtspflege. Aber nicht zu den Rahmenbedingungen, die damals politisch gewollt waren.

Das Gesetzgebungsverfahren rollte interessanterweise auch gar nicht im klassischen Sinne an, heißt, es gab keinen „Referentenentwurf“, der dann wie immer, den Interessenverbänden hätte vorgelegt werden müssen. Es gab ein Diskussionspapier. Hört sich unverfänglich an. Manche Vertreter/innen von Wohlfahrtsverbänden verweisen daher darauf, dass sie warten würden, bis der Referentenentwurf da wäre.

Zu befürchten war, dass das Gesetz in einem Eilverfahren durchgesetzt würde, damit es noch in der aktuellen Legislaturperiode als Ergebnis gewertet würde. Solche Schnellschüsse vergleichbar der Arbeitsmarktreform im Jahr 2002, die unmittelbar vor Weihnachten am 23.12. durch den Bundestag eilte und im Nachgang erhebliche Mängel zeigte, sollten vermieden werden.

Daher hatte sich im Netz eine Gruppe gefunden, die sich zügig zu den SGB VIII Reformen ausgetauscht hatte – ich hatte u.a. über die Knackpunkte des Vorhabens gebloggt – und wir haben mit darauf hin gewirkt, dass noch vor dem möglichen Referentenentwurf eine Einladung an die Interessenverbände ins Ministerium erfolgte und das Gesetz in der Tragweite, die befürchtet wurde, verhinderte.

Ein aktuelles Beispiel ist das Bundesteilhabegesetz:

Lobbyarbeit 4.0.

Wie sieht sie denn dann nun aus, die Lobbyarbeit 4.0? Sind die alten Gremien vollständig out? Nein, sind sie nicht. Sie sind neben einer Reihe anderer Maßnahmen wertvolle Instrumente.

Aber die Meinungsbildung hat sich verändert. Auch in der klassischen Verbandsarbeit finden und fanden, genau wie in jeder Politik, Seitengespräche statt, die Meinungsbildungen befördern. Diese Meinungsbildungsprozesse finden mittlerweile auch im Internet statt und es ist hier sehr viel schneller möglich, sich mit Entscheidungsträgern zu vernetzen. Ganz unkompliziert diskutieren hier Expert/innen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft miteinander und fördern damit auch Prozesse.

Arbeiten 4.0.

Mobiles Arbeiten verlangt andere Abstimmungsformen. Eine neue Zeitsouveränität ist gefragt. Für Führungskräfte ist in Bezug auf Ihre Mitarbeitende die Stärkung von Netzwerk- und Dialogkompetenz und Ermutigung statt Kontrolle angesagt.

Quelle: Telekom

Twitter.

Nicht nur der amerikanische Wahlkampf auch die deutschen Politiker/innen wissen mittlerweile um die Bedeutung von Twitter, wenn es um Kommunikation, Austausch von Papieren aus Koalitionsverhandlungen und Meinungsbildung geht. Aber nicht nur die Politik – unterm Strich tummeln sich die deutschen Intellektuellen aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft in diesem Netzwerk, weil es in Bezug auf Themen, Wissensmanagement und Kommunikation deutlich bessere Voraussetzungen als andere Netzwerke bietet und damit auch gerne für die Pressearbeit und den Fernsehjounrnalismus genutzt wird. Häufig heißt es ja in den Nachrichten mittlerweile: XY hat getwittert.., Facebookposts werden dagegen eher in Promimagazinen gezeigt.

Da ich selbst eine Weile gebraucht habe, das Netzwerk zu ergründen, habe ich meine Erfahrungen in einer Anleitung für Twitter aufgeschrieben.

Wissensmanagement.

Während wir gefühlt gerade unser Ablagesystem in Papierform in unsere EDV-Ablage umorganisieren, ohne dabei wesentliche innovative Strukturen zu entwickeln, erfordert Lobbyarbeit 4.0 ganz neue Wege des Wissensmangagement.

Ich organisiere meine Dateien mittlerweile hauptsächlich über E-Mails und Clouds. Das geht nicht in allen Arbeitsbereichen. Aber je mobiler wir werden, umso notwendiger ist es.

So sehr ich die Tageszeitung aus Papier immer noch liebe, benutze ich sie nicht mehr, weil ihre Information weit hinter den Aktualitäten her hinkt. Ich organisiere Onlineartikel über einen RSS Reader, aus denen heraus ich auch sofort twittern kann. Und Twitter selbst ist eine wesentliche Informationsquelle. Besonders die Hashtags bieten gute Sortierungsmöglichkeiten und neue Quellen und Expert/innen, denen ich folge.

Vernetzung & Kommunikation.

Was eigentlich genau bedeutet Vernetzung? Vernetzung ist so alt wie die Verbandsarbeit selbst und noch viel älter. Freundschaften, Seilschaften und Interessengruppen gab es schon immer. Von daher gilt das auch für digitale Netzwerke.

Ungewohnt für unsere deutsche Mentalität ist der öffentliche Diskurs. Hier ist gute Kommunikation und ein Stück Medienkompetenz erforderlich. Als Kompetenzprofil der Verbandsarbeit zukünftig nicht mehr weg zu denken.

Die digitale und analoge Vernetzung greift ineinander. Das digital soziale Netzwerk ist mittlerweile eine Art Adrema. Begegnungen und Kontakte mit denen ich auch über Netzwerke beständig in Verbindung sein kann, sind mental eher präsent als andere.

Agile Organisation.

Befasst man sich mit den Megatrends einer zukünftigen Organisationskultur, so gibt es Szenarien, die von der Peer-to-Peer Arbeit statt Hierarchiearbeit bis hin zu Auflösungen von Organisationsstrukturen denken. Klar ist, dass sich die Organisationsstruktur der neuen Arbeitskultur anpassen muss. Für eine gelingende Lobbyarbeit 4.0 bedeutet das eine Qualifizierung der Informations- und Kommunikationsarbeit quer durch die Organisation.

Unterm Strich.

Menschen, die sich überwiegend ausserhalb der digitalen sozialen Netzwerke bewegen, verpassen die Chance einer modernen digital sozialen Lobbyarbeit, die nicht nur den Vorteil hat, wirkungsvoll Meinungsbildungsprozesse mitgestalten zu können, sondern auch den damit einhergehenden Modernisierungsbedarf für ihre Organisationen zu erkennen.

Lobbyarbeit 4.0 bedeutet einen Kulturbruch mit der bisherigen klassischen Verbändearbeit und einen Paradigmenwechsel für die Zukunft der Arbeit von Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege.

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Bücherliste 2017 (3)

Während draußen mal wieder ein Schneesturm durch das Ruhrtal wirbelt, denke ich an den goldenen September zurück.

In dem Monat bin ich feierlich in mein Amt eingeführt worden. Das war schon ein besonderer Tag. Irgendwie bestand das Jahr aus einer Reihe festlicher Tage: der Wahl im März, dem ersten Arbeitstag im Juli und dann diesem feierlichen Akt der Amtseinführung. Ich war teilweise so mit der Arbeit beschäftigt, dass ich darüber gar nicht so viel nachgedacht habe.

Aber dann war der Tag plötzlich da. Wow, das war schon sehr schön. Und ich fand es toll, dass sich so viele Zeit genommen haben, dabei zu sein.

Und noch viel schöner war, dass sich viele im Haus zusammen getan haben, um diesen Tag so festlich wie möglich zu gestalten.

#wahlheimatruhr

(Septemberbücher)

Von daher war es nicht so, dass es viele Mußestunden gegeben hat, in denen ich genüsslich hätte lesen können. Aber ich habe ganz viel Lesestoff über das Ruhrgebiet geschenkt bekommen, die Literaturhinweise möchte ich Euch nicht vorenthalten:

  • RuhrKompakt: Der Ruhrgebiet-Erlebnisführer (Die Erlebnislandschaft Ruhrgebiet mit allen Daten und Fakten) – 1200 Ziele für Entdecker … (von Nöllenheidt/Kirfel)
  • Glücksorte im Ruhrgebiet – Fahr hin und werd glücklich (Wellmann/Weimer)
  • Wandern am Wasser – 35 genussvolle Wanderungen im Ruhrgebiet (Uli Auffermann)
  • 111 Orte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss. (Fabian Pasalk)
  • Starke Frauen im Revier (Anita Brockmann, Sabine Durdel-Hoffmann)
  • Altena in alten Ansichten (Liesel Mickoleit/Heinz Hermes) – Anm.: Das ist wichtig, weil der märkische Sauerlandkreis auch zu unserem Bistum gehört.

Martin Luther und Katharina von Bora

(Christian Nürnberger/Petra Gerster – Oktoberbuch

Nach Umzug, Arbeitsplatzwechsel, Neuanfängen und vor allem viel Arbeit und vielen Terminen habe ich mir Ende Oktober ein paar Tage Zeit für einen Rückzug in die Eifel genommen, um neue Kraft zu tanken.

Dabei fiel mir passend zum 500. Jahrestag der Reformation das Buch von Petra Gerster und ihrem Mann in die Hände.

Mein Beitrag hier „Was Martin Luther uns für das Zeitalter des digitalen Wandel lehrt“ nimmt Bezug zum Buch.

Meine Quintessenz ist so zusammen gefasst.

Was uns die Epoche Martin Luthers lehrt:

  • Wie unmerklich klein die großen Dinge begonnen haben.
  • Die Welt, die im Wandel ist, ahnt häufig selbst nicht, dass eine neue Zeit anbricht.
  • Reformer sind selten die Selbsternannten, sondern die, die sich mit aller Kraft für Themen eingesetzt, sich darauf konzentriert und damit letztlich etwas bewegt haben.
  • Es braucht Zweifler, die plötzlich die Regeln in Frage stellen und etwas Neues ausprobieren.
  • Er war ein mittelalterlicher Blogger, denn sein Leitsatz war: „Durch Schreiben kann man etwas bewegen.“
  • Wenn man die Menschen erreichen will, muss man ihre Sprache sprechen.
  • Der Buchdruck war damals, was heute die Online-Kommunikation ist. Ein Beschleuniger des Wortes und ein wesentlicher Zugang zu freier und einfacher Bildung.
  • Bildung besteht aus Bildern. Neue Bilder formen den Geist um. Der umgebildete Geist bildet neue gesellschaftliche Strukturen.
  • Aus einem ängstlichen eher schüchternen Menschen kann ein Starker werden, wenn die Berufung stimmt.
  • Rückzüge, Natur und Stillezeiten (Offline-Zeiten) fördern Fortschritt, Kreativität und Qualität.
  • Verkrustete Strukturen verhindern eher, während neue, offene, noch formbare Lernstätten innovatives Denken und Arbeiten fördern.

 

Muscheln in meiner Hand

(Anne Morrow Lindbergh – Novemberbuch)

Eigentlich sollte man keinen Satz anfangen mit dem den Worten „…war die Ehefrau von…“, aber er wurde bekannter und erklärt das eine oder das andere: Anne Morrow Lindbergh war die Ehefrau von Charles Lindbergh, genau – dem Charles Lindbergh.

Sie war Kopilotin und ebenfalls Flugpionierin, außerdem Schriftstellerin und sie hat dieses wunderbare Büchlein „Muscheln in meiner Hand“ geschrieben. „Büchlein“ ist dabei nicht despektierlich gemeint, sondern im Gegenteil: Es bietet auf seinen 120 Seiten so viel Tiefe  und Philosophie, dass ich es immer mal wieder gerne zur Hand nehme wie eben in diesem November auch.

Der Brecher auf dem Strand, der Wind in den Pinien, der träge Flügelschlag der Reiher über den Dünen lassen uns das hektische Pulsieren der Städte und Vorstädte, der Fahrpläne und Terminkalender vergessen.

Im Englischen heißt der Titel „Gift from the sea“. Anne Morrow Lindbergh, die mit Familie und Kindern ein turbulentes Leben hat, schreibt über eine Auszeit am Meer, bei der sie sich ganz auf sich besinnt und zu einer einfachen Lebensweise zurück findet.

Die Frage lautet vielmehr: wie bewahre ich meiner Seele inmitten des Getriebes die Ruhe, wie gebe ich ihr Nahrung?

Um diese Frage dreht sich der Aufenthalt Lindberghs am Meer. Die Antwort ist einfach.

Geduld, Geduld, Geduld lehrt uns das Meer. Geduld und Glauben. Leer, offen und passiv wie der Strand sollten wir daliegen – das Geschenk des Meeres erwartend.

Advent and Christmas

(Henri J.M. Nouwen / Dezemberbuch)

Das Buch nehme ich in der Advents- und Weihnachtszeit gerne in die Hand.

Es bietet täglich Texte, Gebete und kleine „Advent Actions“.

Henri J. M. Nouwen´s Texte finde ich beindruckend, weil sie von seiner Lebensweise zeugen. Er gab seine Karriere als Hochschulprofessor auf und entschloss sich zu einem gemeinsamen Leben mit behinderten Menschen. Weitere Werke sind hier zu finden.

Es lässt sich als Tag für Tag Buch und Begleitung durch den Advent lesen oder manchmal ist es vielleicht auch so, dass man an einzelnen Textstellen hängenbleibt, die einen dann durch den Advent begleiten.

So wird es in einer Advent Action am 4. Tag auch vorgeschlagen:

Find a scriptual Motto .. Hold these words in your heart each day.

Das Büchlein gibt es meines Wissens nach nur in Englisch.

Insgesamt habe ich in diesem Jahr viel spirituell-theologisches gelesen. Es ist mir so begegnet. Es sollte dann wohl so sein.

„Wenn Du Gott zum Lachen bringen willst, dann mache einen Plan.“ Ich glaube nach den Erfahrungen mit meinen Bücherlisten in den vergangenen Jahren verzichte ich jetzt mal darauf, einen Plan zu machen.

Mal sehen, was mir im nächsten Jahr dann so begegnet. Es liegen noch eine Reihe ungelesener Bücher auf dem Stapel.

Aber nun kommt ihr jetzt erstmal gut in das neue Jahr 2018!

Wir lesen uns 🙂

 

Falls Du es verpasst hast, hier geht es zum:

Literarischen Jahresrückblick (Teil 1)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bücherliste 2017 (2)

Der Mai war ein sehr sonniger Monat.

Und eine Mischung aus Abschied und Neubeginn.

In Köln galt es vieles zu Ende zu bringen und gleichzeitig standen auch verschiedene Dienstreisen an, bei denen ich auch schon zukünftige Kolleg/innen treffen konnte, zum Beispiel bei der Republica, beim Kongress der Sozialwirtschaft und beim Jahresempfang des Deutschen Caritasverbandes in Berlin, bei dem der erste weibliche Vorstand, Eva Welskop-Deffaa, eingeführt wurde.

Frauen gehen in Führung.

Wir schreiben das Jahr 2017.

Und es ist noch immer eine Besonderheit.

Der Weiberaufstand

(Christiane Florin/Maibuch)

In diesen Tagen fiel mir das Buch „Der Weiberaufstand“ von Christiane Florin in die Hände.

Ich fühlte mich an ein Buch von Franz Alt erinnert, das ich Anfang der 90er Jahre gelesen habe: Jesus, der erste neue Mann.

Die feministische Theologie der 1980er Jahre feierte das Gegenteil: einen Mann, der eine freie Frau an seiner Seite hat. Maria Magdalena folgt Jesus aus Überzeugung, weder aus Gehorsam noch aus Demut. Sie steht unter dem Kreuz, begegnet dem Auferstandenen und überbringt die Botschaft, nicht weil sie muss, sondern weil sie will. Mutig, willensstark, lasziv – so ist diese Maria.

schreibt Christiane Florin.

Auf den 172 Seiten geht es um Weiberalarm, Quenglerinnen, Pfefferminzprinzen, fröhliche Weihmächte und die Wucht der Wirklichkeit. Der beste Satz des Buches ist nicht der erste, sondern der letzte: Wo ein Wille, ist auch eine Weihe.

Was mich an dem Buch fasziniert, ist nicht nur die scharfgestochene Schreibe und die teils sehr humorvolle Analyse, sonder vor allem die Frage nach der Berufung.

Ich habe den Wunsch nie gespürt, aber was, wenn Frauen ihn haben und gerne Priesterinnen würden.

Christiane Florin spöttelt:

Ein solcher Ruf kann … nur ein Hörfehler sein, eine persönliche Neigung, ein Empfinden … keinesfalls eine echte Berufung.

Christsein ist keine einfache Angelegenheit

(Klaus Pfeffer/ Junibuch)

Passend zu 500 Jahre Reformation veröffentlicht der Essener Generalvikar ein Buch mit dem Untertitel „Mit Dietrich Bonhoeffer auf dem Weg zu einer erneuerten Kirche“.

(Bonhoeffer) räumt auf mit einer Kirche, die sich an konfessionelle Linien und dogmatische Festlegungen klammert und dabei die Lebensrealität der Menschen völlig aus dem Blick verliert.

Der Autor macht auf den rund 130 Seiten eine Reise durch die Lebensgeschichte  des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, gibt Anstösse für das Leben im Heute und entwirft am Schluss des Buches eine Zukunftsvision für die Kirche.

Was mich an Dietrich Bonhoeffer immer wieder fasziniert, ist seine Fähigkeit, inmitten alltäglicher Lebenserfahrungen Gott zu suchen und auch zu entdecken. Seine Briefe, persönliche Aufzeichnungen, Predigten, Vorträge und Ausarbeitungen offenbaren eine intensive Reflexion all dessen, was er erlebt und erfährt.

Am 30. Mai wurde das Buch der Öffentlichkeit vorgestellt. Ich selbst konnte leider nicht dabei sein, hatte aber später noch die Gelegenheit an einer Lesung teil zu nehmen.

Die Ehe

(Christiane Florin/Julibuch)

Niemand würde in einen Zug steigen, wenn laut Statistik 30, 40, 50 Prozent dieses Modells aus der Kurve fliegen.

schreibt Christiane Florin in einem weiteren Buch, das ich nach der Lektüre von „Warum unsere Studenten so angepasst sind“ und „Der Weiberaufstand“ ebenso gerne gelesen habe. Der Untertitel lautet: Das riskante Sakrament.

Die Liebe kann auf die Ehe verzichten, die Ehe aber auf die Liebe nicht … je tiefer ich in die Materie eintauche, desto mehr staunte ich darüber, dass auf so wenigen Bibelstellen ein gewaltiges Lehrgebäude fußt.

Und auch dieses Werk von Christiane Florin lohnt sich. Denn auf den 112 Seiten (ebook) zeugt sie nicht nur von fundierter Kenne, sondern auch von bereicherndem Esprit.

Gegenüber seiner Mutter schlägt der junge Jesus einen Ton an, der heutige Erziehungsberechtigte ans Ratgeberregal oder in pädagogische Coachings treiben würde … Jesus Verhältnis zur Familie ist ambivalent, stellenweise sogar feindlich. … Jesus geht als kinderloser Single in die Heilige Schrift ein. Er wird nie Vater, er bleibt Sohn. Er hat Nachfolger, keine Nachkommen. Das Christentum basiert auf Seelenverwandtschaft, nicht auf Blutsverwandtschaft.

Christiane Florin ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie macht zu Beginn des Buches deutlich, dass sie auch verheiratet bleiben möchte.

Es geht ihr um eine nüchterne Betrachtung der Ehe und es ist eine spannende historische wie auch theologische Analyse.

Neue Freunde

(Björn Vedder/Augustbuch)

Facebook-Freunde sind nicht nur echte Freunde, sie sind sogar viel bessere Freunde als die, die wir üblicherweise dafür halten …

… lautet der provokante erste Satz des Buches und holt den Leser/die Leserin voller Spannung in die Lektüre. Der Untertitel „Über Freundschaft in Zeiten von Facebook“ gibt den entscheidenden Hinweis, dass es im Buch um mehr geht als um Facebook oder andere digitale Netzwerke, es geht darum, dass sich Freundschaften in der heutigen Zeit grundsätzlich verändern. So wie digitale Technologien unser Leben beeinflussen, beeinflusst eben auch die Online-Kommunikation unsere Wege, Beziehungen zu gestalten und Freundschaften zu pflegen.

Wenn „Interaktion mit dem anderen eine positive emotionale Wirkung“ hat, heißt es im Buch, dann bedeutet das eine Bestätigung des eigenen Selbstwertgefühls. Freundschaften werden insgesamt narzisstischer, lautet eine Grundthese des Buches.

Und auch, dass die Freundschaft aufhört, wenn die gemeinsame Sache wegfällt. Ist das tatsächlich so tragisch? Oder war das nicht eigentlich schon immer so? Tatsächlich hat ein Mensch doch nur wenige wirkliche echte Freunde, insbesondere, wenn wir die deutsche Definition von Freundschaft zugrunde legen. Zitate von Schopenhauer, Kant und Cicero werden hinzugezogen, um der wahren Freundschaft auf den Grund zu gehen. Ob es hilft? Denn Schopenhauer ist …

… das Schwanzwedeln eines ehrlichen Hundes hundertmal lieber als die Bekundung von Freundschaft.

Aber es ist Hoffnung! Denn wenn die Freunde gegenseitig echte Achtung empfinden, dann kann auch echte Freundschaft entstehen.

Freundschaften, das haben die vorangegangenen Kapitel vorgeführt, basieren auf einer wechselseitigen Anerkennung und einem gemeinsamen Verständnis der Welt.

Der Autor rückt die Entstehung einer Freundschaft in die Nähe der Entstehung einer Liebesbeziehung. Sie „macht schön, gibt dem anderen Raum, lässt ihn glänzen“. Er gibt der Freundschaft aber den Vorzug gegenüber einer Liebesbeziehung, denn …

… sie ist viel stärker von einem Gefühl der Übereinstimmung und Harmonie getragen als die Liebe, … ruhiger und milder. Im Gegensatz zur Liebe ist die Freundschaft eine allgemeine und umfassende Wärme … Sie ist gemäßigt und gleichbleibend, eine beständige und verlässliche Innigkeit und Zartheit.

Von daher mögen die Leser/innen enttäuscht sein, die in diesem Buch auf der Suche nach Tipps für gute Facebookfreundschaften sind.

Das Werk geht viel tiefer. Es ist eine gründliche Auseinandersetzung mit der Freundschaft in der heutigen Zeit.

 

Hier geht es zum

Literarischen Jahresrückblick 2017 (3)